Gletscher in Norwegen

Mit Bre, breen, fonn oder jøkul werden in Norwegen die Gletscher bennannt.

Nach einer offiziellen Zählung vor einigen Jahren gibt es in Norwegen 1625 Gletscher, die sich über eine Fläche von über 2600 km2 erstrecken. Häufig befinden sich die Gletscher Norwegens, die sich an den Gebirgen im Westen entlangziehen, in Fjordnähe.
In Ostnorwegen, Mittelnorwegen und in der Finnmark gibt es keine Gletscher.

Die größten Gletscher Norwegens sind:

Name Größe in km2 Lage
Jostedalsbrenn 487 Sogn og Fjordane / Oppland
Svartisen 368 Nordland
Folgefonn 212 Hordaland
Blåmannsisen 90 Nordland
Hardangerjøkulen 80 Hordaland

Vor 600 Millionen Jahren ( in der Silurzeit ) wurde die Basis für das Entstehen des 1.500 km langen skandinavischen Hochgebirges - den Skanden - gelegt. Duch die Varanger-Kälteperiode, eine damalige Eiszeit, hatten sich in einer absinkenden Muldenzone ( Geosynklinale ) im Bereich Irland-Norwegen-Spitzbergen Sedimente angesammelt. Zu dieser Zeit war Schottland und Grönland noch mit dem Kontinent verbunden.

Vor 300 - 350 Millionen Jahren füllte ein Zusammenstoß der nordamerikanischen mit der nordeuropäischen Kontinentalplatte diese Mulde und faltete in einem ungeheuren Prozeß den Sedimentinhalt zum Hochgebirge auf. Die Berge in Nordirland und Schottland sind die südwestliche Fortsetzung dieses Gebirgszuges. Seit dieser Zeit führten sich abwechselnde Kälte- und Wärmeperioden zum Abtragen und ällmählichen Einebnung des Gebirges.

Nur die höchsten Erhebungen der Skanden, die nach dem Eskimowort Nunatakker genannt wurden überragten die sich periodenhaft bildenden Eiswüsten. Vor rund 300.000 Jahren hatte die Kontinentalvergletscherung ihren Höhepunkt erreicht. Ganz Skandinavien war von einer bis zu 3.000 Meter mächtigen Eisschicht bedeckt.

Anfang des 19. Jahrhunderts war es der norwegische Geologe Jens Esmark, der eine Theorie der Eiszeit aufstellte. Seine Anhaltspunkte fand er in den glattgehobelten Bergrücken und der Vermischung verschiedener Gesteinsarten. Anfangs fand seine Meinung keine Aufmerksamkeit, doch schon Mitte des 19. Jahrhunderts gab es mehr Befürworter als Gegner dieser Theorie. Nach Ansicht der heutigen Geologen haben die Gletscher über 100 Höhenmeter Gestein von den Bergspitzen des Kaledonischen Gebirges abgetragen. Selbst wo Moränenüberdeckungen oder andere glaziale Ablagerungen fehlen, hat die Kraft des Eises die Erdoberfläche so gründlich umgeformt, dass ältere Formen nur durch den Untergrund hindurchschimmern. Lediglich der Skanden-Gebirgszug blieb erhalten.

Für das Landschaftsbild des heutigen Skandinvien sind allerdings die geologischen Vorgänge der letzten Vereisungsepoche, die vor 70.000 Jahren begann, von weit größerer Bedeutung. Diese Eiszeit endete in Norddeutschland vor rund 20.000 Jahren, aber ganz Nordskandinavien war noch vor 12.000 Jahren mit einem Eispanzer bedeckt.

Durch das enorme Gewicht, dass über zehntausende von Jahren auf ganz Nordeuropa lastete, wurde die Landmasse unter Wasser gedrückt, wobei man wissen muss, dass der Meeresspiegel wesentlich tiefer lag als heute, da die Eismassen erhebliche Wassermengen gebunden hatten. An der Küste Sør-Helgelands kann man ein riesiges Loch im Berg Torghatten bewundern, wo sich die Meeresbrandung, als das Land noch tiefer lag, langsam durch den Berg gefressen hat.

Vor 12.000 Jahren begann der Abschmelzungsprozess, der Skandinavien allmählich von seiner Riesenlast befreite. Im nördlichen Teil des Bottnischen Meerbusens erreichte die Landhebung ( Isostasie ) mit 300 m ihren Höchstwert und noch heute ist sie mit einem Zentimeter pro Jahr meßbar.
In der Nähe von Oslo findet man Strandlinien, die 200 Meter über dem heutigen Meeresspiegel liegen.

Lange Zeit nahm man an, dass die Gletscher in Norwegen Überbleibsel dieser Eiszeit seien, die vor ungefähr 8.000 Jahren in Skandinavien endete. Inzwischen weiß man aber, dass es bis 500 v. Chr. so warm in Europa war, dass es unwahrscheinlich ist, dass es damals noch Gletscher gab.

Erst in den letzten 2.500 Jahren wurde es wieder kühler und die Gletscher bildeten sich neu aus.

Die Schürfwirkung des Eises der letzten Eiszeit zeichnet für die heute spektakuläre Küstenbildung Westnorwegens verantwortlich. Die Täler, die in der Richtung des Eisstroms lagen, wurden vertieft und verbreitert und es entstanden die typischen Trogtäler. Diese Täler, wenn sie nahe der Küste lagen, füllten sich nach dem Abschmelzen der Gletscher und dem Anstieg des Meeresspiegels mit Salzwasser. So entstanden die heutigen Fjorde. Nebentäler, die der Fräswirkung des Eises nicht so stark ausgesetzt waren, wurden zu Hängetälern, über deren Ränder sich heute viele der höchsten Wasserfälle Norwegens ergießen.

Wo das Eis keine vorgegebenen Felsrinnen fand, da rundete es die Landschaft und glättete die Felsen. Es entstand die typische Fjelllandschaft oberhalb der Baumgrenze, die sich heute zum Beispiel in der Hardangervidda oder der Setesdalsheiene zeigt.

Warum es immer wieder zu diesen ausgeprägten Kälteperioden kommt, ist noch nicht mit letzter Sicherheit geklärt. Doch es reicht schon ein Absinken der Jahresmitteltemperatur um wenige Grade, um eine Gletscherbildung herbeizuführen oder zu verstärken. In diesen kälteren Zeiten sank die Schneefallgrenze um über 1000 m. Die Schneefälle wurden stärker, vor allem in den Gipfellagen. Neuschnee ist mit 0,1 Gramm je cm3 sehr leicht, aber durch Druck steigt das Eigengewicht auf 0,3 Gramm. Bleibt der Schnee über den Sommer als Firn liegen, verdichtet er sich und das Eigengewicht erhöht sich auf 0,5 bis 0,6 Gramm. Wiederholt sich dies über mehrere Jahre und steigt das Eigengewicht auf 0,9 Gramm, so ist ein neuer Gletscher geboren. Wenn der Druck groß genug ist, verhält sich ein Gletscher wie eine plastische Masse und beginnt sich zu hangabwärts zu bewegen. Dabei nimmt er Unmengen an Geröll- und Sandmengen mit sich, die sich als beim Stillstand oder Schmelzen des Gletschers als Moränen ablagern. Dadurch kann man noch nach Jahrhunderten die Bewegungen des Gletschers und die weiteste Ausdehnung nachvollziehen.

Innerhalb der kleinen Eiszeit ab dem 16. Jahrhundert vergrößerten sich die Gletscher in Fjordnähe, während die Inlandgletscher weiter abnahmen. Einige Bauernhöfe mit Feldern und Wiesen fielen dem Eis zum Opfer. Doch seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts zogen sie sich wieder zurück. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich die Küstengletscher infolge von schneereichen Wintern ( Akkumulationszeit von Anfang Oktober bis Anfang April ) wieder vergrößert, während die Inlandgletscher sich immer noch reduzieren. Der Gråsubreen im Jotunheimen-Massiv schrumpfte in den lezten drei Jahrzehnten um eine Wassermenge, die einem See mit der Fläche des Gletschers und einer Tiefe von 7 m entspricht.

Interessanterweise liegt die Zunahme der Gletscher an der Westküste Norwegens an der allgemeinen Erderwärmung, die sonst die befürchtete Schmelzung der Polkappen bewirkt. Denn durch die Erwärmung der Atmosphäre hat die Verdunstungsfeuchtigkeit der Ozeane weltweit zugenommen. Dazu gab es in Westnorwegen in den letzten Jahren relativ milde Winter, die den westlichen Berghängen reichlich Schnee bescherten, der sich im Laufe der Jahre zu Gletschereis verdichtete.

Reaktionen auf Wetterumschwünge zeigen sich bei den Gletschern erst nach 15 - 25 Jahren.

Auf dem Weg ins Tal entstehen in den Gletschern gewaltige Drücke und Spannungen, die sich manchmal akustisch in einem lauten Knistern, Krachen und Donnern bemerkbar machen. Schiebt sich das Eis über einen Felsriegel, bricht es in große Eisblöcken. Längsspalten entstehen, wenn der bisher eingengte Eisstrom sich verbreitert, Querrinnen brechen auf, wenn der Untergrund steil nach unten abfällt, Risse am Rand bilden sich, wenn die Mitte des Gletscherstroms eine höhere Fließgeschwindigkeit hat.

Mit all diesen Erscheinungen kennen sich erfahrene Gletscherführer aus. Trotzdem zollen sie den Eismassen den nötigen Respekt, weil sie wissen, dass auch immer noch ein kleines Quentchen Glück dazugehört, einen Gletscher ohne Zwischenfall zu überschreiten. Denn immer wieder passieren schreckliche Unfälle, die mit etwas Vorsicht hätten vermieden werden können. Dünne Schneebrücken brechen beim Überschreiten ein, Wanderer stürzen in tiefe Eisspalten, andere werden von herabstürzenden Eisblöcken erschlagen, manche ertrinken in den reißenden Schmelzwassern oder finden den Tod durch Unterkühlung, weil sie wegen mangelnder Ausrüstung einem Wetterumschwung nicht gewachsen sind. Im günstigsten Falle erfolgt die Rettung mit einem riesigen Kostenaufwand, der einem ruinieren kann. Das "kleinste" Übel einer nicht durchorganisierten Gletschertour ist die Schneeblindheit, weil man "nur" die Schutzbrille vergessen hat, die einem vor der enormen UV-Strahlung und der gleißenden Helligkeit des Schnees schützt.

Grundsätzlich wird davor gewarnt, sich ohne Ortskenntnisse und ohne nötige Ausrüstung auf das Firneis der Gletscher und deren Ausläufer zu wagen. Auch die obligatorischen Photos am Rande der Eiszunge können ein Risiko sein.

Toteislöcher

Wenn sich der Gletscher zurückzieht, bleiben manchmal riesige Eisbrocken in der Landschaft zurück. Da sich diese Blöcke nicht mehr bewegen, nennt man sie halt "Toteis". Über diese Eisbrocken schieben sich Sedimente und begraben sie allmählich. Aber im Laufe der Zeit und aufgrund von Wärmeperioden lösen sie sich langsam auf. Es entstehen fast runde Löcher, die sich zuerst mit Wasser füllen, dann aber nach und nach durch die Ansiedlung von Pflanzen verlanden. In den Fjellgebieten sind das häufig die heutigen kleinen Hochmoore. Eine ausgeprägte Toteisloch-Landschaft mit riesigen Kratern findet man östlich der Døralseterhütte im Rondane-Gebirge, Skranglehaugan genannt.

Gletschermühlen

Ein Phänomen, dass in ehemaligen Gletschergebieten öfters zu sehen ist, sind die sogenannten Gletschermühlen. Diese entstehen, wenn Wasser in Gletscherspalten hinabstürzt und dabei spiralförmige Hohlräume schafft. Treffen diese Röhren auf den Felsboden, versetzt das Wasser dort befindliche Felsblöcke in eine kreisförmige Bewegung. Durch die andauernde Strudelwirkung hobeln diese kreisenden Felsblöcke runde Löcher in den Felsboden. In manchen der Gletschermühlen findet man noch den Mahlstein.

Os ( Mehrzahl: Oser )

Oser sehen in der Landschaft aus wie Bahndämme ohne Schienen. Sie können sich manchmal kilometerweit erstrecken. Gebildet werden diese Dämme durch Gletscherflüsse, die sich unter dem Eis gebildet haben. Da das Wasser seitlich nicht weg kann, sucht es sich nach oben Platz, schleift dabei das Eis weg und lagert die mitgeführten Sedimente unten ab. Ist der Gletscher irgendwann abgeschmolzen, bleiben diese oft vier bis fünf meter hohen Wälle in der Landschaft zurück.

Gletschertor

Ein eindruckvolles Phänomen eines Gletschers ist der Ausfluss des Schmelzwassers aus einer geheimnisvollen, von bläulichen Eiswänden eingerahmten Höhle. Je nach Temperatur und Jahreszeit sprudelt oder tobt es aus diesem nassfunkelnden Gletschertor. Aus dieser Höhle strömt all das Wasser, das im oberen Gletscherbereich den Weg zum Felsgrund gefunden hat und nun nach einem Ausweg zum Tageslicht sucht. Man hat manchmal das Gefühl in diesen Kristallhöhlen müßten Berggeister oder Trolle auf ihren Schätzen hocken. Doch auf die Suche nach ihnen sollte man sich nicht begeben, denn anstatt Ruhm und Reichtum findet man eventuell den Tod durch einstürzende Eiswände oder durch die unberechenbare Wasserhöhe der Gletscherflüsse.

Gletschermuseum

1991 wurde in Fjærland am Südende des Jostedalsbreen das norwegische Gletschermuseum eröffnet. Das spektakuläre dieses pädagogisch gelungenen Museums ist die Nachbildung einer Landschaft unter einem Gletscher. In blauschimmernden, tropfenden Eishöhlen kann der Besucher die Kälte der Eiszeit auf sich wirken lassen.
Dies leuchtende Blau entsteht durch die Reflektion des Blauanteiles des Lichtes. Je mehr Luft im Eis eingeschlossen ist, umso weißer wirkt es. Das Museum übernimmt auch Forschungsaufgaben für die Universitäten in Oslo und Bergen sowie für die International Glaciological Society und das Norwegische Polarinstitut.

Durch die Gletscher als Klimagedächtnis der Erdgeschichte erhoffen sich die Wissenschaftler Informationen, die ihnen Erklärungen zu den Klimaveränderungen auf unserem Planeten geben sollen.

Weitere Informationen zu Gletschern in Norwegen findest du unter Gletscher in Norwegen, allerdings nur in englisch und norwegisch.

 

Weiterführende Links zu Gletscher:

Briksdalsbreen Gletscher im Jotunheimeen Nigardsbreen

©1999 by Otto and Mechtild Reuber

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