Husedalen: das Tal der Wasserfälle | |
Straßen: Rv 13 |
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Aus Richtung der Stadt Bergen kommend, erreichen wir am 28.07. gegen 12:30 Uhr den Ringøy-Campingplatz, knapp zehn Kilometer nördlich von Kinsarvik. Wir richten uns in der gemieteten Hütte ein und machen noch einen Einkaufsbummel in Kinsarvik. Am Spätnachmittag fahren wir nach Eidsfjord und von da ins Hjølmodalen. Eine unbefestigte Serpentinenstraße mit steilen Kehren endet auf einem holprigen Parkplatz. Wir beschließen noch ein paar Kilometer auf dem Pfad zur Viveli-Hütte in die Hardangervidda zu gehen. Gegen 20:00 Uhr kehren wir um, etwas von Mücken genervt, und sind um 21:30 Uhr wieder in Ringøy. Morgen wollen wir ab Kinsarvik ins Husedalen wandern, das für seine schönen Wasserfälle bekannt ist.
29.07.95: Die Wanderung ins Husedalen bei Kinsarvik
Trotz guter Vorsätze sind wir heute morgen nicht so schnell aus unseren Schlafsäcken gekommen. Erst gegen 10:30 Uhr erreichen wir Kinsarvik. Wir lösen noch einen Euroscheck ein, kaufen eine Postkarte, sowie ein paar Lebensmittel. Die Wanderkarte Ullensvang, Maßstab 1:50000, hatten wir uns schon zu Hause über eine Buchhandlung besorgt. Nachdem wir noch ein paar Kirschen vom Baum neben der Touristinformation gepflückt haben, folgen wir dem Wegweiser nach Hus. Nach ein paar Kurven spaltet sich die Straße. Aber ob man den oberen oder unteren Weg nimmt, beide Straßen führen nach knapp einem Kilometer wieder zusammen. Ein Kilometer weiter liegt links ein großer Parkplatz. Wir fahren aber dran vorbei und landen nach weiteren 1,5 Kilometern vor einer geschlossenen Schranke. Rechts führt ein Weg hinunter zum alten Kraftwerk. Die zwei Parkmöglichkeiten die es am Wegesrand gibt, sind schon besetzt. Wir drehen und fahren wieder zurück zum Parkplatz.
Inzwischen ist es 11:40 Uhr und schon ziemlich warm. Eigentlich etwas zu spät für die Wanderung, wie wir später feststellen sollten. Der geteerte Weg folgt leicht aufwärts dem Kinso, der rechterhand rauschend im schluchtartigen Tal fließt. Wer noch nie über eine Hängebrücke gegangen ist, kann hier aus Spaß den Fluß überschreiten, muß aber wieder zurück, da die schmale, in den Fels gehauene Straße an der linken Seite des Flusses weiterführt. Doch Vorsicht, die Brücke ist zwar breit, hat aber kein Halteseil. Nach 25 Minuten erreichen wir wieder das Kraftwerk. Direkt hinter diesem stürzt der erste Wasserfall des Kinso zu Tal, der Tveitafossen. Die Flußufer sind hier üppig mit Mischwald bewachsen. Da der Fahrweg in der Sonne liegt, beschließen wir den kühleren Pfad durch den dichten Wald zu nehmen. Doch dieser Weg schützt zwar vor der Sonne, ist aber anstrengend, da doch öfters steile Felspartien zu überwinden sind. Auf halber Höhe zur Alm erreichen wir das erste Plateau auf 280 Metern Höhe. Hier trifft der Pfad bei einer Staustufe direkt auf den Kinso. Am Plateauende sieht man schon den zweiten Wasserfall, den Nyastølfossen, der über mehrere Felsstufen 180 Meter hinabstürzt. Nach einem fast ebenen Stück folgt ein ziemlich steiler Anstieg über glattgeschliffene Felsplatten. Ab und zu müssen wir die Markierungen suchen. Begleitet wird der Aufstieg vom Rauschen des Nyastølfossen. Die Luft im Wald ist so feucht wie unsere durchschwitzten T-Shirts. An einem Abhang direkt am Wasserfall rasten wir zwanzig Minuten. Man sieht hier nur einen kleinen Teil des breiten Nyastølfossen. Kurze Zeit später erreichen wir den zum kleinen See verbreiterten Kinso, an dessen Ostufer die liebliche Nykkjesøy-Alm liegt. Auch die große, winkelförmige Holzhütte, die im felsigen Wiesengelände steht, paßt irgendwie in das Landschaftsbild. Ein Stück entfernt steht noch eine in Rot. Am Flußufer sonnen sich ein paar Wanderer, darunter auch Familien mit Kindern. Mit Badeanzügen bekleidet tollen die Kinder am Ufer herum oder waten vorsichtig in den strömenden Kinso. Am Kinso entlang wandern wir zum südlichen Ende der Alm, wo der Nykkjesøyfossen mit tosender Gischt achtzig Meter fast senkrecht zu Tal stürzt. Wo die Alm an der Felswand endet, zieht sich der Pfad in östlicher Richtung den Hang hoch. Alter Kiefernwald säumt den Weg. Die 80 Meter Höhenunterschied bringen uns nochmals zum Schwitzen. Mitten im Wald begegnen wir einem jungen Pärchen, daß noch zur Stavali-Hütte will. Das Gelände ist hier sehr hügelig. Dann treten die Kiefern zurück und die Sicht auf die mit Felsbändern durchzogene Landschaft wird freier. Wir verlassen den Pfad zur Stavali-Hütte, die man von hier durch das Vier- und Grøndalen in vier Stunden erreichen kann. Die Landschaft, durch die wir uns jetzt pfadlos bewegen, hat was urwüchsiges. Uns beschleicht das Gefühl, das die Eiszeitgletscher erst vor Kurzem die riesigen Felsplatten glattgeschliffen haben müssen. Über die Felsbänder geht es sich leicht. Unterbrochen werden sie von grasigen Inseln, die oftmals etwas sumpfig sind. Wir nähern uns der Kante des Nykkjesøyfossen, das Rauschen wird immer stärker. Weit geht der Blick hinab ins Husedalen und am Horizont bis zum Sør- und Hardangerfjorden. Noch nie zuvor hatten wir so ein intensives Gefühl, eins mit der Natur zu sein, als wie hier 'mitten' im Nykkjesøfossen. Etwas abseits des Flusses, der immer wieder Stromschnellen bildet, läßt es sich auf den Felsplatten leichter gehen. Auf das Felsplateau haben sich zwei Kiefern verirrt. Eine von ihnen hat das rauhe Winterklima nicht überstanden. Wir überqueren noch einmal die Hängebrücke und wandern etwas zügiger - die Sackgasse hat uns zuviel Zeit gekostet - weiter über Felsbänder leicht bergan. Plötzlich stehen wir an dem langstreckten See, den der Kinso unterhalb des Søtefossen bildet. Ein Felsband zieht sich sacht ins Wasser. Mit dem Finger nimmt Otto eine Temperaturprobe, zieht sich aus und watet langsam hinein. Ich meine, sehen zu können, wie sein Körper blau anläuft. Nach diesem kleinen Intermezzo haben wir ein Problem. Ein Bergbach aus dem Vierdalen, der gegenüber dem Søtefossen in den Kinso mündet, versperrt uns den Weg. Auf der anderen Uferseite genießen wir in Ruhe die Aussicht auf den Wasserfall. Vielleicht hätten wir hier nicht rasten sollen, denn irgendwann kommt uns die Idee, auch noch zur oberen Fallstufe hinaufzuklettern. Das sieht von hier ziemlich einfach aus. Aber wie kommen wir auf die andere Seite des Sees? Am Ufer entlang erweist es sich als unmöglich, da meterhohe steile Felswände unser Vorhaben verhindern. Also steigen wir wieder den Hang hoch, Dort stellt sich uns ein neues Hindernis in den Weg: ein Geröllfeld mit teilweise großen Felsblöcken. Anfangs geht der Aufstieg noch ziemlich flott. Aber wir können nicht geradewegs nach oben, sondern müssen immer wieder von einem schmalen Fels- oder Grasband zum anderen steigen, Geschafft ! Erschöpft, aber innerlich total zufrieden, erreichen wir den Felskessel. Nackte, dunkle Wände ringsum und mittendrin, am Ende eines kleinen Sees, der tobende Søtefossen. Den Gedanken, ob wir über einen mit Schnee bedeckten Felsabsatz noch bis zur Vidda klettern sollen, Von zwei etwas schwierigen Passagen abgesehen, bewältigen wir den Abstieg am Hang ohne Probleme. Diesmal überqueren wir den Wildbach, von Stein zu Stein springend, an seiner breitesten Stelle, kurz vor dem Einlauf in den See. Auf dem Felsplateau schlagen wir uns direkt in nördlicher Richtung, um auf den Pfad von der Stavali-Hütte zu stoßen. Plötzlich ein unerwartetes Geräusch: Motorenlärm. Dann sehen wir über der südwestlichen Felswand einen Hubschrauber auftauchen. Das erste Zeichen der Zivilisation. Er kreist einmal über die Hochfläche und verschwindet dann in Richtung Kinsarvik. Erste Bäume säumen unseren Weg, kurz darauf finden wir den Pfad zur Nykkjesøy-Alm wieder, die jetzt menschenleer ist. Weiter geht es auf dem breiten Fahrweg. Nach einer Rast auf einem riesigen Felsen am Wegesrand, wird uns rückblickend klar, wie weit dieser über dem Tal hängt. Nach vielen Serpentinen erreichen wir wieder das alte Kraftwerk. Vom Fahrweg bietet sich noch mal ein schöner Blick auf den Tveitafossen. Rückblickend war dies eine der schönsten und aufregendsten Wanderungen in unseren bisherigen Norwegenurlauben.
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©1999 by Otto and Mechtild Reuber